Warum Gaming zum gesellschaftlichen Ereignis wird

Das Klischee vom einsamen Teenager, der in seiner Bude vor Joystick oder Konsole hockt und sich die Zeit mit Videospielen vertreibt, ist längst überholt. Zwar sind die Games beliebter denn je, aber der einsame Aspekt gehört genau wie die Idee von der Teenägerdomäne der Vergangenheit an.

Heute zählen mehr als 34 Millionen Menschen in der Bundesrepublik zu den regelmäßigen oder gelegentlichen Gamern. Rund 15 Prozent davon sind mehr als 60 Jahre alt. Die Altersgruppe 50 bis 59, die oftmals ebenfalls schon mit den ersten Arkadenspielen aufgewachsen sind, stellt mit 17 Prozent die größte Gruppe dar.

Die steigende Popularität hängt unter anderem mit der enormen Bandbreite der Videogames zusammen, und der Tatsache, dass diese längst zum gemeinschaftlichen Erlebnis geworden sind. Obwohl es auch weiterhin erfolgreiche Singleplayer-Spieler wie „“Red Dead Redemption 2“, „Grand Theft Auto V“, „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“, „Super Mario Odyssey“ und mehr gibt, geht der Trend gerade bei den auf epische Abenteuer und lange Spieldauer ausgelegten Games zum Multiplayer-Mode. Bestes Beispiel ist der Superhit „Fortnite“, der vor allem durch seinen Battle-Royale-Modus weltweit zu einem der erfolgreichsten Spiele aller Zeiten geworden ist. Dabei können bis zu 100 Spieler gleichzeitig auf der gewaltigen Map antreten, nach Waffen und Ausrüstungsgegenständen suchen und ihr bestes tun, um am Leben zu bleiben. Der letzte Spieler, der den Battle Royle übersteht, ist der Sieger. In diesem Modus kann es tatsächlich nur einen geben, obwol es auch Modi für kleinere Gruppen und Teams gibt.

Weil die Zocker sich aus der ganzen Welt in das Spiel einschalten können, werden nich allzu selten dank der Chat-Funktion, in der auch Strategien geplant werden können, aus Fremden Freunde. Beliebt ist auch das Zocken in einer vertrauten Gruppe, mögen diese nun wie in der Sitcom „Big Bang Theory“ im gleichen Raum versammelt sein oder sich getrennt vom jeweiligen Wohnzimmer aus einloggen.

Diese Mischung aus spannendem Spiel und sozialem Aspekt, der sich nicht örtlich begrenzen lässt, macht selbst vor klassischen Spielen wie Monopoly und Poker nicht halt, die online genauso mit Freunden gezockt werden können wie beim Spieleabend in gemütlicher Runde. Dazu gehört nur etwas Absprache, um wirklich am gleichen Tisch zu landen, aber dafür gibt es vielen Gamern einen weiteren Kick, statt gegen Fremde oder ein reines Softwareprogramm gegen die vertrauten Kumpel anzutreten.

Wer etwa in den auch in Deutschland immer populärer werdenden Ligen wie der Pokerliga Nordhessen seine Stammkontrahenten in Fleisch und Blut kennengelernt hat, kann dann beim Online-Poker feststellen, ob die psychologische Einschätzung ihrer Stärken und Schwächen auch online hinhaut.

Weil Poker in erster Linie auf Mathematik und Psychologie und zum geringsten Teil auf Glück basiert, ist das Spiel konzentrationsintensiv. Wer beim Zocken bevorzugt flotte Sprüche reißt oder sich durch alles und jeden ablenken lässt, wird an einem anderen Spiel wahrscheinlch mehr Spaß haben, aber für echte Pokerfans sind die limitierten Chat-Möglichkeiten online fast schon ein Bonus. Dafür können hinterher die gespielten Hände desto ausführlicher diskutiert werden.

Da Poker zwar einiges an Köpfchen, Geduld und Nervenstärke erfordert, aber verhältnismäßig schnell vorbei ist, sind Diskussionen im Anschluss deutlich sinnvoller und einfacher, als wenn es darum geht, eine nächtelange Marathonrunde in einem Multiplayer Online Battle Arena Game wie „League of Legends“ zu analysieren, das 2016 mit einer Länge von fast zwei Stunden für eine einzige Runde einen Weltrekord aufgestellt hat. Weil so gut wie alle Strategie- und Kampfspiele auf blitzschnellen Entscheidungen beruhen, tun sich selbst die besten Gamer schwer, Stunden später nachzuvollziehen, warum sie in der fünften Minute so und nicht anders reagiert haben.

Selbst Singleplayer-Spiele wie „Minecraft“ und „GTA V“ bringen Spieler zusammen. Zum einen liegt das daran, dass die meisten Games inzwischen auch in einer App-Version für mobile Geräte gespielt werden können – nicht umsonst ist das Smartphone mittlerweile in Deutschland zur populärsten Gaming-Plattform geworden. Das bedeutet, dass Zocker im selben Raum an ihren eigenen Geräten das selbe Spiel daddeln und dabei miteinander freundschaftlich konkurrieren können.

Etliche Konsolenspiele machen es zudem möglich, dass sich mehrere Nutzer an ihren Geräten einschalten und so auf die Distanz gemeinsam spielen können.

Sogar Klassiker wie Monopoly, das es inzwischen in einer Auswahl von Online-Varianten gibt, bieten einen Multiplayer-Modus an, in dem der Spieler gegen ein bis drei lebendige Freunde statt gegen einen Computeralgorithmus antritt.

Zuschauen und lernen statt selbst zu zocken ist ebenfalls so gesellig wie nie geworden. Wo früher mit Glück Fernsehübertragungen von großen Ereignissen gefunden und zusammen geguckt werden konnten, stehen heute Streaming-Plattformen wie Twitch bei den Gamern aller Art ganz oben. Dabei können sie den Zockern nicht nur zusehen, wie diese live Poker, „Minecraft“, „League of Legends“ oder „Fortnite“ spielen, sie haben zudem die Chance, sich im Chat von den Profis Tipps zu holen oder mit anderen Gamern zu diskutieren. Weil die meisten der Streamer einen Live-Kommentar abgeben, in dem sie ihre Züge und Entscheidungen direkt erklären, verbinden diese Kanäle Lehrstunden und Entertainment auf einmal.

So mancher erfolgreiche Zocker nutzt die so gewonnenen Einsichten, um sein eigenes Spiel zu verbessern, ob es nun um die nächste Videogame-Runde mit Freunden oder das anstehende Turnier in der lokalen Pokerliga geht. Einsames Zocken in der eigenen Bude wie in den Anfängen ist zwar in der Gamingwelt weiterhin möglich, aber dabei handelt es sich dann um eine freiwillige Entscheidung und nicht um ein Muss. Daddeln schließt Geselligkeit längst nicht mehr aus.